MUSIKMAGAZIN – CD Rezension „die wahre liebe…

Sie ist eine Künstlerin, die sich ganz besonders  zwischen den verschiedenen stilistischen Stühlen wohl fühlt. Egal ob nun in der Oper, der Operette, im Jazz, Klezmer oder Wienerlied, Agnes Palmisano präsentiert sich als eine ungemein facettenreich agierende Sängerin, die in den unterschiedlichsten musikalischen Kontexten zu brillieren weiß. So auch auf dem gerade erschienenen Album „Die wahre Liebe …“ (Preiser Records). Die in Wien geborene und in Wöllersdorf und Moskau aufgewachsene Künstlerin widmet sich auf ihrem neuen Werk ihrer großen musikalischen Liebe, dem Wiener  Dudler. Hierbei handelt es sich um einen fast schon in Vergessenheit geratenen  Wiener Gesangsstil des 19. Jahrhundert, welcher eine Mischung aus alpinem Jodler und Koloraturgesang darstellt. 2010 zum  „immateriellen Kulturerbe der UNESCO“ erklärt, versucht Agnes Palmisano gemeinsam mit ihrem Ensemble den sehr verspielt klingenden Wiener Dudler in Neuinterpretationen des traditionellen Liedguts wie auch in Eigenkompositionen wieder zu neuem Leben zu erwecken. Mit Erfolg, „Die wahre Liebe …“ offenbart sich als ein immens mitreißendes und buntes Musikerlebnis, das vom ersten Ton an zu begeistern weiß.

Was Agnes Palmisano auf ihrem neuen Album vollzieht, ist der Spagat zwischen unterhaltsamer Volks- auf der einen und anspruchsvoller Kunstmusik auf der anderen Seite. Ein gewagtes musikalisches Experiment, das in Fall aber mehr als gelungen zu bezeichnen ist. Man merkt bei jedem Ton, mit wie viel Herzblut die mit einer sehr farbenreichen und wandlungsfähigen Stimme gesegnete Sängerin in diesem Projekt an die Sache heran gegangen ist. Sie liebt den Wiener Dudler und setzt diesem vom Aussterben bedrohten Gesangsstil ein musikalisch über alle Maße mitreißendes Denkmal.

Egal, ob sie sich mit ihrem mit Daniel Fuchsberger, Peter Havlicek  (beide Kontragitarre), Helmut Stippich und Roland Sulzer (beide Akkordeon)  herausragend besetzten Ensemble nun an das traditionelle Liedgut eines Franz Schubert heran macht, oder sich in Eigenkompositionen an Koloraturjodlern des 19. Jahrhunderts versucht, Agnes Palmisano lässt auf faszinierende Weise die Grenzen verschwimmen,  zwischen Altem und Neuem, zwischen E- und U-Musik, originalem Wienerlied und verspielten Jazz , Anspruch und Gefälligkeit. Was die gebürtige Wienerin auf diesem Wege über 18 Stücke lang entstehen lässt, ist ein spannendes Hörerlebnis, das bunter und abwechslungsreicher kaum erklingen kann.
 
Inhaltlich dreht sich, wie der Titel der CD es vermuten lässt, um die Liebe in allen Lebenslagen. Mal humorvoll, mal etwas ernsthafter und melancholischer, aber immer mit einem Schuss Ironie, verwandelt Agnes Palmisano die Lieder in zart schimmernde Kunstwerke, die wirklich zu berühren wissen. Mit „Die wahre Liebe …“ ist es der Künstlerin ein Stück Musik gelungen, das beeindruckt und auch jenen ans Herz gelegt ist, die sonst mit der originären Wiener Musik wenig am Hut haben. (mt)

Do, 02.08.2012 – 13:12