Die wahre Liebe – Concerto

Egal ob Oper, Operette, Jazz oder Wienerlied, Agnes Palmisano ist in allen Musikgenres zu Hause. Selbst die UNESCO konnte an ihr nicht vorbei und hat das Dudeln zum Weltkulturerbe erklärt, wobei Agnes Palmisano hier das Erbe von Trude Mally angetreten hat. Mit ihrer neuen CD beweist die Künstlerin eindrucksvoll ihre vielfältigen Qualitäten und gibt so nebenbei auch noch Lebensweisheiten für die verunsicherten Männlein und Weiblein zum Besten. In „Alois!!!“ von Hermann Leopoldi etwa besingt sie den Strahlemann/frau in jedem von uns. An „Ottokar“ von Georg Kreisler denkt man eben. Auch Mozart steuert ein Lied bei, nämlich den Zauberflöten-Liebes-Dudler „Bei Männern und Frauen“. „So was depperts“ erinnert frappant an „Somethin’ Stupid“. Mit dem Titelsong erklärt sie, dass an der Liebe eben gar nichts lustig ist, und mit „Nehmens an Alten“ lehrt sie das schwache Geschlecht, sich auch mit dem Spatz in der Hand zufrieden zu geben. Auf die Frage, wo sie diese Lieder immer auftreibt, meint Agnes Palmisano: „Manches ist gezielte Recherche in verschiedensten Archiven, zeitraubend und mühsam, aber vieles ist einfach auch Zufall. Mir werden Lieder sogar per You-tube von völlig Fremden zugeschickt, beim „Alten“ war das zum Beispiel so. Auch Musikerkollegen bringen mir alte Notenblätter mit. So ein Lied dann zum Leben zu erwecken, ist trotzdem Schwerarbeit, weil oft nicht einmal die Hälfte davon, wie es richtig klingen soll, auf den Notenblättern steht. Bei Nestroy-Liedern trifft das besonders zu, „Wenn uns einer g’fallt“ aus dem Talisman ist auch auf der CD. Ich möchte mich mehr seiner Arbeit widmen und vielleicht sogar eine eigene CD mit seinen Stücken herausbringen.“ (Siehe auch Performance Rewind Schrammel.Klang.Festival 2012 in diesem Heft).

Die wahre Liebezum Dudeln

Über zehn Jahre dudeln, das muss schon die wahre Liebe sein. „Ja, so ist es!“, meint die Künstlerin, „Ich mache das aus drei Gründen: erstens historisch, der Dudler war prägend für die Musik Wiens im 19. Jahrhundert und wird heute auf der Musikschule weitgehend ignoriert, das macht mich wütend. Musiker wie Mozart und Schubert haben Dudler geschrieben und gespielt, Johann Nestroy sowieso, aber auch Johann Strauß hat in seinen Operetten Dudler gehabt, die wurden aber zugunsten eines musikalischen Einheitsbreies geglättet. Die Operetten wurden damals für das Volk geschrieben und müssen viel mehr Deftiges enthalten haben, als wir heute zu hören kriegen. Marie Geistinger, die 1. Operettendiva der Zeit, hat bekannterweise auch gedudelt, und diese Wurzeln der Musik möchte ich wieder finden. Der zweite Grund, warum ich dudle, ist, weil man damit die Stimme ganz flexibel macht. Beim klassischen Gesang wird dir vorgeschrieben, wie die Stimme klingen soll. Beim Dudeln dürfen die Stimmbänder machen, was sie wollen, sie haben viel mehr Freiheit. Singen ist wie Schifahren. Da würde auch niemand auf die Idee kommen, nach fünf Übungsstunden bereits Abfahrt oder Slalom zu trainieren. Zuerst gibt es den Breitensport, und daraus entwickelt sich der Hochleistungssport. In der Musik ist das umgekehrt. Hier gibt es kaum mehr die Breite, es wird allgemein immer weniger gesungen, und jeder, der singt, soll gleich etwa Operndiva, Rockröhre oder so werden, aber das funktioniert nicht. Der dritte Grund, warum ich dudle, ist, dass ich damit Lieder singen kann, die mir Spaß machen und nicht bereits zigmal auf Platten existieren und jeder genau weiß, wie sie zu klingen haben. Singen ist für mich eine massive emotionelle Manipulation des Publikums.

Die wahre Liebe … zu den Mitspielern

Roland Sulzer (Akkordeon, Gesang) versorgt mich mit historischem Material, hat mich bei Trude Mally eingeführt und dafür gesorgt, dass das Dudeln für mich nicht nur ein kurzes Techtelmechtel wurde. Peter Havlicek (Kontragitarre, Gesang), der zeitlos Schöne, hat die langjährigste, professionellste Erfahrung und spielt in vielen Ensembles. Er ist ein Vollblutmusiker mit immensen Kenntnissen. Helmut Stippich (Knopfharmonika, Gesang) ist höchst virtuos. Aus ihm rinnt die Musik nur so heraus, egal ob er spielt, singt oder komponiert. Mit ihm zu spielen ist ein sinnlich erotisches Erlebnis.

Daniel Fuchsberger (Kontragitarre, Gesang) hat sehr große Begleiterqualitäten, spielt sich nie in den Vordergrund, ist aber immer präsent. Er spürt die Musik mit dem Herzen, aber auch die zwischenmenschlichen Abläufe in der Gruppe. Er ist der Analytiker.“ Daniel repliziert als einziger: „Wenn man die Gelegenheit hat, mit Leuten, die man mag, Musik zu machen, die einem am Herzen liegt und noch dazu so, wie es einem gefällt, dann sollte man die Gelegenheit beim Schopf packen und es genießen. Ich jedenfalls werde es weiterhin so handhaben.“ Die anderen Herren, sonst sehr stimmgewaltig, waren ob des Lobes von Agnes Palmisano ganz sprachlos.Aber alle gemeinsam lassen auf der überaus gelungenen CD ihre Musik sprechen.

Text und Fotos: Franz Richter

CD-TIPP: Agnes Palmisano „Die wahre Liebe …“, Preiser Records WEB-TIPP: agnes-palmisano.at Zu finden in der CONCERTO Ausgabe 4-12, www.concerto.at Zur Information: Die gesamte Printausgabe ist jederzeit über das CONCERTO Abo-Service 
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