Wie stark ist nicht dein Zauberton – DER STANDARD
Wer ist eigentlich dieser Sarastro – ist das ein Neuer?“, wollte eine Mutter beim Elternsprechtag wissen. Denn von dem singe ihr Sohn neuerdings immer, wenn er daheim in der Badewanne pritschle. Und dass der sonst so zappelige Xandi so ausdauernd fröhlich singt, ist schon etwas Besonderes. Der Mutter wird rasch erklärt, dass es der Sarastro aus der „Zauberflöte“ ist, der ihren Xandi zur Sangeskunst inspirierte. Im sich neigenden Mozartjahr ist schon einiges aufgeführt und inszeniert worden – doch diese Produktion ist wahrlich etwas Besonders. Es sind die Kinder der Schule für Schwerstbehinderte in der Schwarzingergasse in Wien-Leopoldstadt, die hier als Tamino und Pamina auftreten, die bedrohlich mit der Schlange fuchteln oder auch nur rote Schleier als Feuer wehen lassen.
Manche der Kinder sitzen sonst nur apathisch da, mithilfe der Musik und des Schauspiels werden sie auf einmal aktiv“, ist Projektleiterin Agnes Palmisano über die Wirkung immer wieder erstaunt. Dabei hat sie hier an der Schule bereits den „Regenbogenfisch“ einstudiert oder „Das kleine Ich-bin-Ich“ und die „Geggis“. Der anregende Erfolg ist stets der gleiche: „Manche machen den Mund nur auf, wenn sie ein Mikrofon in der Hand haben.“ Im Turnsaal der Schwarzingergasse wird zunächst einmal der Komponist Mozart vorgestellt. Das Wunderkind und wie es in Wien im Kaiserhaus empfangen wird – die Maria-Theresia-Darstellerin nimmt die Ovationen der Mitschüler huldvoll entgegen.
Wann die Oper: „Wo ist der Tamino?“ – „Der ist noch am Klo.“ Doch dann ist er schon bereit, wirbelt durch den Saal, kämpft mit dem Plastikschwert gegen das Ungeheuer und singt vollkommen selbstständig: „Zu Hilfe! Zu Hilfe! Sonst bin ich verloren!“ – und dann nur ein bisserl improvisiert: „Der biestigen Schlange zum Opfer erkoren.“ Begleitet wird die Aufführung von einem Quartett-Orchester. Andere Arien werden von professionellen Sängern bestritten. Neben Palmisano gibt Christoph Velisek den Papageno und Andrea Olah die Königin der Nacht. Bei Ersterem gibt’s Gaudi, Gekichere, viel Gekudere und das mehrmalige entzückte „O my God!“ eines Mädchens. Bei der Arie der Königin aber ist es mucksmäuschenstill im Saal.
Das sind Klangdimensionen, die diese Kinder hier bisher auch nur andeutungsweise kaum erleben konnten. Und dann ein Schüler als Sarastro auf dem Podest. „Bist du mutig genug? Kannst du schweigen?“, brüllt er Tamino lustvoll an. Als die Königin der Nacht auftritt, bietet er Tamino und Pamina seinen weiten Umhang als Schutzhülle an. Wer weiß, wie dieser Sarastro im Schulalltag sonst unterwegs ist, der weiß, dass er gerade über sich selbst hinauswächst.
(Roman David-Freihsl/DER STANDARD) Bilder unter Fotos/Bühne/Zauberlötensin(n/g)spiel