Agnes Palmisano: „Ich singe, wo man mich lässt“

Agnes Palmisano: „Ich singe, wo man mich lässt“

Agnes Palmisano beim Festival aufhOHRchen in Wiener Neustadt. Dort ist sie in die Schule gegangen.

 

Ihr Nachname klingt nicht wienerisch. Eher nach Mafia.

Agnes Palmisano: Meine Vorfahren waren Wein- und Olivenbauern in Apulien.

Und was hat sie hierher verschlagen?

Palmisano: Der Hunger und die schlechte Arbeitssitua tion. 1904 ist mein Urgroßvater in den Norden gegangen und hat beim Karawankentunnel mitgebaut.

Kam durch Roland Neuwirth zur Volksmusik: Agnes Palmisano, die große Meisterin des Wienerliedes.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Ihr Vater, Simon Palmisano, war Militärattaché. Sie wirken gar nicht militärisch.

Palmisano: Gott sei Dank, da wird sich mein Vater freuen. Aber fragen Sie meine Söhne, die behaupten, ich sei sehr streng … Für meinen Vater jedenfalls war eine Karriere beim Bundesheer neben Priester die einzige Option, studieren zu können. Das war eine arme Familie mit acht Kindern. Vater hätte eigentlich Hafnermeister werden sollen wie sein Onkel, der auch Simon geheißen hat. Da hätten sie das Firmenschild nicht wechseln müssen.

Ihr Vater ist sehr kunstaffin – hat er Ihnen das vererbt?

Palmisano: : Tatsächlich war er sehr kunstsinnig, aber hat das nur sehr marginal ausgelebt. Meine Mutter, eine Salzburgerin, hat immer einen Chor geleitet. Ich bin mit Kirchenmusik aufgewachsen. Aber die Tatsache, dass die Tochter tatsächlich eine Künstlerin ist, das ist ihnen ein bissl ungeheuer. Kunst macht man für sich, für seine Seele, aber das ist kein Beruf. Das ist kein anständiger Beruf, da macht man nur so viel, dass es einem ein bisschen besser geht, da innen drinnen.

Sie haben eine breite musikalische Ausbildung, haben viele musikalische Interessen. Wieso haben Sie sich auf das Wienerlied konzentriert?

Palmisano: Das ist wirklich erstaunlich. Es ist mir ein bisschen passiert. Ich habe auf der Musikuniversität sehr schwer eine Schublade gefunden, habe stimmlich in kein klares Schema gepasst. Aber im Pflichtfach Volksmusikensemble gab’s ein Wochenendseminar in Schottwien mit Roland Neuwirth. Da habe ich meine ersten Wienerlieder gesungen, dazu noch meine ersten beiden Dudler. Damit bin ich dann sofort engagiert worden. Und das war das erste Mal, dass ich das Gefühl gehabt habe: Wow, da gibt’s eine Nachfrage! Da gibt’s Menschen, die sagen, gleichgültig, woher du auch kommst, hier bist du willkommen.

Ist das Dudeln für Sie zu einer Engführung geworden?

Palmisano: Ich komme, je älter ich werde, immer mehr drauf, dass jedes Ding zwei Seiten hat. Das Dudeln ist eine Heimat oder eine Identität geworden, aber natürlich auch eine Einschränkung. Ja, ich würde sehr gerne Oper oder Operette singen, und ich könnte es auch, aber ich werde damit nicht assoziiert, ich bin in einer anderen Schublade. Ich habe nie in eine Schublade gepasst, und jetzt bin ich erst recht in einer. Man landet immer irgendwo.

Täuscht der Eindruck, oder sind Sie jetzt öfter in Niederösterreich am Werk?

Palmisano: Ich habe eine enge Beziehung zur Volkskultur Niederösterreich und deren Geschäftsführerin Dorli Draxler. Aber ich singe sowieso überall, wo man mich lässt und wo man mich engagiert. Und ich freue mich sehr, wenn das öfter in Niederösterreich ist.

Jetzt singen Sie in Wiener Neustadt. Die Rückkehr der jungen Dame?

Palmisano: Ich habe keinen Grund, an Wiener Neustadt in irgendeiner Art Rache zu üben. Ich war dort in der Schule, ich war dort im Turnverein, ich war dort im Tanzkurs, ich war dort!

 

Quelle: NÖN