WÜRGEENGEL – WIENER ZEITUNG

Theater: Nach der Oper. Würgeengel
Der Würgeengel, im Hochglanzambiente gemeuchelt

Von Bernhard Baumgartner

„Niemand geht! Alle werden bleiben! Alle bleiben hier, bis der letzte Ton verklungen ist!“, ruft Edmundo Nóbile (Ignaz Kirchner), der Gastgeber der Soirée, bei der sich die illustre Gesellschaft nach einem Opernbesuch eingefunden hat. Ein frommer Wunsch freilich, warfen doch die ersten Besucher der Premiere von Martin Wuttkes Fassung von Luis Buñuels Filmklassiker „Würgeengel“ (1962) schon nach einer Dreiviertelstunde das Handtuch. Sie waren nicht die Letzten, die die bei weitem nicht vollständig gefüllte, fast dreistündige Aufführung vorzeitig verließen.

Dabei hätte das Gebotene im Burgtheater-Kasino ein pralles Theatererlebnis werden können: 18 Schauspielerinnen und Schauspieler, zwei Sängerinnen, zwei Sänger sowie ein zwölfköpfiges Kammerorchester füllten die Bühne. Exzellenz wurde auch in der Besetzung aufgeboten: von Catrin Striebeck, Ignaz Kirchner, Stefanie Dvorak, Maria Happel über Peter Matic bis hin zu Bibiana Zeller lauter klingende Namen der Burg. Allein, die Rakete wollte nicht zünden.

Bleischwer zogen sich endlos verkopfte Dialoge – bis quasi zum üppigem Dessert Agnes Palmisano mit Schönbergs „Erwartung“ dem Publikum den Rest gab. Erst gegen Ende, als die Herrschaften realisieren, dass hier etwas nicht stimmt, nimmt die Handlung dann Fahrt auf. Diese ist schnell erklärt und bleibt doch so unerklärlich: Nach der als böses Omen zu wertenden Flucht des Dienstpersonals kann die Gesellschaft aus unerklärlichen Gründen das Haus nicht verlassen, obwohl Türen und Fenster ihren Dienst durchaus tun würde. Keiner bringt die Kraft auf, zu gehen. Man ist mit sich und dem Rest der Gesellschaft gefangen. Beklemmend, fast wie eine Theateraufführung, die den Zuschauer physisch aber nicht emotional zu fesseln vermag. Es kommt in diesem psychischen Endspiel, wie es kommen muss – der Tod als trauriger Höhepunkt des Abends.

Das Kerzenlicht durchflutete Bühnenbild und die edlen Kostüme von Nina von Mechows erweisen dem Film ihre Referenz. Das Ensemble spielt die komplizierten Texte brillant, wobei die schiere Masse an Darstellern den Einzelnen nicht, wie man anhand der Besetzungsliste erwarten würde, glänzen lassen. Ein ernüchternder Theaterabend mit vielen, vielen Fragezeichen.