Hänsel und Gretel – OÖ– Nachrichten
„Hexen“ verführen nicht nur Kinder
Mit der spätromantischen Oper „Hänsel und Gretel“ nach der Musik von Engelbert Humperdinck entführte am Freitag das Kulturhaus Reiman und seine Jugendbühne ins Reich der Märchen. Regie und Bühnenbild: Belinda Müllner.
Aufhorchen ließ ein überraschender Prolog zu Beginn: Als „Irrlicht“, in scheinbar unschuldiges Weiß gekleidet, beleuchtete Corinna Maureder das „Individualitäts-Killer-Syndrom“ einer Massenkultur, deren Verführungskünste jener der Hexe im Märchen um nichts nachstehen. Schrill in knalligem rosa Abendkleid, erscheint diese, gespielt von Dinah Berowska, als gelungene Mischung aus Operndiva und böser Fee.
Besonders der pubertierende Hänsel (brilliant: Agnes Palmisano) fühlt sich von dieser angezogen. Als Gretel besticht Karin Stuhlberger. Die Ambivalenz des Waldes wird lichtdramaturgisch gekonnt umgesetzt: Tagsüber ein Reich der Phantasie, das zum sorglosen Spiel einlädt, verwandelt sich der Wald des Nachts in eine düstere Schatten- und von Ängsten beherrschte Unterwelt. Ist Gefahr in Verzug, erscheint die Bühne in unheilvolles Rot getaucht, das sich leitmotivisch durch das Stück zieht. Für poetische Momente sorgt Hänsel und Gretels Abendgebet im Wald in Form eines Duetts, bevor das Sandmännchen die Kinder behutsam und sanft ins Land der Träume schickt, wo ihnen goldene, engelhafte Wesen erscheinen.
Zwar wird „Hänsel und Gretel“ immer wieder als Kinderoper bezeichnet, wozu auch bekannte Melodien wie „Suse, liebe Suse, was raschelt im Stroh“ oder „Ein Männlein steht im Walde“ verleiten. Mit knapp zwei Stunden Dauer richtet sich die Oper jedoch eher an ein älteres Publikum – was der Kurzweiligkeit des Abends keinen Abbruch tat. Etwas schade nur, dass die Räumlichkeiten der Stimmgewalt der Darsteller nicht ganz gewachsen waren, wodurch manche Stellen etwas zu kräftig und laut erschienen.
Datum: 12/2007